Süddeutsche Zeitung vom 12.3.2007
Konzertkritik: Puchheim PUC am 9.3.2007
P u c h h e i m – Wenn das kein Abgesang auf den amerikanischen Traum ist: „In Amerika braucht man keinen Verstand, um vorwärts zu kommen, im Gegenteil, der Verstand ist dabei nur hinderlich, und der Dümmste hat das Glück.“ So schrieb es einst die im Bayerischen Wald geborene Dichterin Emerenz Meier, die auf den Monat genau vor 101 Jahren „ins Amerika“ auswanderte. Den Fängen der Heimat wollte sie entfliehen. In Amerika aber, das damals noch eine neuntägige Schiffreise weit weg lag, blieb sie zeitlebens ein „armer Fremdling“.
„Out of Heimat“ nennt diesen Zustand Monika Drasch, die Volksmusikantin mit der grasgrünen Geige. Dass es ihr die Gedichte von Emerenz Meier angetan haben, verwundert nicht. Scheint doch beide Frauen – über die Zeit hinweg – so etwas wie eine widerständige Heimatliebe zu verbinden. Schon als Mitglied des mittlerweile aufgelösten Bairisch Diatonischen Jodelwahnsinns hat Drasch es verstanden, traditionelle Musikformen mit kritischen Inhalten zu unterwandern. Und Emerenz Meier kämpfte mit früher emanzipatorischer Hartnäckigkeit gegen die Konventionen ihrer Zeit an.
Der drückenden Enge der bayerischen Provinz im ausgehenden 19. und anbrechenden 20.Jahrhundert steht in Draschs Programm die weite klangliche Bandbreite bayerischer Volksmusik gegenüber – Anleihen bei Kirchenliedern und Countrymusic inklusive. Monika Drasch wechselt die Geige im Laufe des Abends im Puchheimer Kulturzentrum (PUC) auch gelegentlich gegen Zither, Dudelsack oder Klarinette. Ihre Kollegen Andreas Stauber und Siegfried Haglmo begleiten sie mit Gitarre, Kontrabass und Ziehharmonika.
Doch bei aller Vielfalt beweist das Trio Mut zur Einfachheit. Die Arrangements sind schlicht, zuweilen fast spröde. Den Gedichten von Emerenz Meier, die Drasch vertont hat, bekommt das bestens. So werden sie zu wehmütigen Sehnsuchtsliedern, die von den wesentliche Dingen des Lebens erzählen: von Liebe und Tod, Trennung und Abschied.
Unspektakulär aber umso eindrucksvoller auch der Vortrag der wunderbaren Ilse Neubauer, die aus Emerenz Meiers Briefen las. Darin geht es um Arbeits- und Perspektivlosigkeit; in den amerikanischen Jahren auch um Heimatlosigkeit und um die Plackerei, die der tägliche Überlebenskampf für eine einfache Auswanderin bedeutete. Ilse Neubauer liest all das mit schnörkelloser Klarheit und feinem Gespür für die sanfte Ironie der autobiografischen Texte, aber auch für das Kraftvolle, Unverstellte.
Emerenz Meier träumte von einer Mass Bier vor sich und der ganzen Welt in sich. So simpel können die schönen Dinge im Leben sein. Monika Drasch und ihre Mitstreiter haben ihr einen ebenso anregenden wie anrührenden Abend gewidmet, an dem die Dichterin sicherlich Gefallen gefunden hätte. War er doch: schlicht und ergreifend.
CHRISTOPH LEIBOLD
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